Von kurzfristiger Massenproduktion und langlebigen Provisorien
Umfeld und Lage
Die Standortwahl zur Errichtung von Behelfsheimsiedlungen erfolgte keineswegs willkürlich, sondern nach gewissen Standortfaktoren. Da der allgemeine Sinn des Projekts in der Schaffung von Wohnraum im Luftschutz lag, wurden als logische Konsequenz Dörfer und Kleinstädte in größerer Entfernung zu größeren Städten (mit bis zu 50 km Entfernung) für den Bau der Behelfsheimsiedlungen gewählt [1]. In Städten wie Berlin wurden die Siedlungen wegen der beengten Verhältnisse an den Ortsrand verlagert [3].
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Die Bildung größerer Ansiedlungen war verboten [2] – aufgrund der Angriffsgefahr und aufwendiger Erschließung wurde von Behelfsheimsiedlungen mit mehr als 100 Behelfsheimen abgeraten [1]. Zudem wurde bei der Wahl der Bauorte auf eine natürliche Tarnung geachtet [2], die durch Täler, Mulden, Wald oder Hecken gegeben war [1]. Zum Schutz der landschaftlichen Schönheit wurde die Errichtung von Behelfsheimsiedlungen in Natur- und Landschaftsschutzgebieten untersagt [2].
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Auch die Bodenqualität und die ursprüngliche Flächennutzung wurden bei der Standortwahl betrachtet. Die Behelfsheimsiedlungen wurden vorzugsweise auf Ödland errichtet. Aufgrund der angespannten Ernährungslage im zweiten Weltkrieg wurde von der Inanspruchnahme hochwertiger Böden für nichtlandwirtschaftliche Zwecke wie dem Behelfsheimsiedlungsbau abgesehen. Wenn nur landwirtschaftliche Flächen in Frage kamen, wurde die Erntezeit berücksichtigt – erst geerntet, dann bebaut. Wälder kamen ebenfalls nur bedingt infrage, da diese für die Gewinnung von Bauholz benötigt wurden. Demnach wurde Waldgelände nur in dringendsten Fällen und wenn kein anderes Bauland in Aussicht stand, genutzt. Auch die Bodenbeschaffenheit war für den Bau entscheidend. Bei der Betrachtung der Grundwasserverhältnisse wurden feuchte Gebiete für den Bau ausgeschlossen. Da die Behelfsheime jedoch nicht unterkellert wurden, waren die Anforderungen hier etwas geringer. Des Weiteren durfte der Boden nicht zu weich und zu sandig sein. [3]
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Die Erschließung sollte im Vorhinein gegeben sein, da der Bau neuer Erschließungsstraßen ausdrücklich untersagt wurde. Im besten Fall sollte eine verkehrliche Anbindung an Betriebe gegeben sein. [2] Wegen der Verkehrssicherheit sollte ein bestimmter Abstand zur Straßenmitte gewahrt werden (in Bayern ein Mindestabstand von 15 m) [2]. Auch der Anschluss der Gebäude an bestehende Strom-, Wasser- und Gasleitungen sowie Kanalisationen und weitere Einrichtungen der technischen Infrastruktur war erwünscht [1]. Wenn dies nicht gegeben war, sollte es zumindest möglich sein, einen Brunnen zu bauen [2].
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Potenzielle Flächen wurden oftmals von verschiedenen Akteur*innen beansprucht, wodurch es zu besitzrechtlichen Problemen kam. Aus diesem Grund wurde zunächst auf gemeindliches, stiftisches, staatliches oder kirchliches Eigentum zurückgegriffen [3].
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Parzellierung und Ästhetik
Obwohl die Behelfsheime als vorübergehende Notunterkünfte dienen sollten und das DHW so pragmatisch und unkompliziert wie möglich bauen wollte, wurden bei der Planung durchaus ästhetische Ansprüche berücksichtigt. Während bei den Siedlungen im Stadtraum ein Abriss der Behelfsheime nach Kriegsende erwartet wurde, wurden die Behelfsheime im ländlichen Raum als potentiell dauerhafte Gebäude geplant. Der Standortfaktor Größe hatte neben Sicherheits- und Erschließungsgründen auch einen ästhetischen Wert, da das Landschaftsbild nicht gestört werden sollte. [3] Bei gruppierten Behelfsheimen oder Behelfsheimsiedlungen sollte die Anlage nicht zu dicht und nicht zu geradlinig gebaut werden [1]. In Bayern wurden beispielsweise geschwungene Häuserreihen und hofartige Elemente vorgeschlagen, die ein „reizvolles und abwechslungsreiches Gesamtbild“ [3] erzeugen sollten.
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Quellen
[1] Rodenberg, M. (2020): Gelebte Räume. Behelfsheime für Ausgebombte in Franken, S. 141-143, Band 90, Bad Windsheim: Verlag Fränkisches Freilandmuseum in Bad Windsheim.
[2] Kasper, F. (2011): Behelfsheime für Ausgebombte. Bewältigung des Alltäglichen im “Totalen Krieg” - Münsters Bürger ziehen aufs Land, S. 34f., Band 1, Münster: Michael Imhof Verlag.
[3] Rodenberg, M. (2020): Gelebte Räume. Behelfsheime für Ausgebombte in Franken, S. 191-199, Band 90, Bad Windsheim: Verlag Fränkisches Freilandmuseum in Bad Windsheim.
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