Von kurzfristiger Massenproduktion und langlebigen Provisorien
Erinnerung an Behelfsheime
Bei der Erinnerung an Behelfsheime sind zwei zeitgenössische Gruppen zu betrachten: Einerseits die zur Errichtung genötigten Zwangsarbeiter*innen und andererseits die Bewohner*innen. Der Umgang mit Behelfsheimen steht damit exemplarisch für die deutsche Erinnerungskultur nach 1945, da er sowohl das Erinnern an die Verbrechen des NS-Regimes, als auch die Not der Deutschen in den letzten Kriegs- und Nachkriegsjahren, betrifft. Jedoch scheint das Thema in Berlin weitestgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit konnte auf Anfrage keine Akten zu dem Schlagwort “Behelfsheim” oder artverwandten finden. Gedenkstätten in ehemaligen Behelfsheimsiedlungen gibt es nicht, obwohl es ausreichend Indizien für die Beteiligung von Zwangsarbeiter*innen am Bau gibt. In Interviews und Befragungen von Bewohner*innen oder Nutzer*innen wurde jedoch festgestellt, dass zum Teil ein individuelles Bewusstsein über die eigene Nutzung von Behelfsheimen besteht. Dieses setzte sich teilweise auch auf sozialer Ebene (Vereinsarchive, Austausch) fort. Bei Erstbeziehenden standen meist die Erinnerungen an die traumatischen Entbehrungen des Krieges und seiner Folgen im Vordergrund. Auch wurde eine Art Stolz auf die Nutzbarmachung und Weiterentwicklung der ursprünglich behelfsmäßig errichteten Häuser festgestellt. Falls Wissen über den Einsatz von Zwangsarbeit vorhanden war, wurde es überwiegend verschwiegen oder vergessen.
An anderen Orten ist dies anders, weswegen nachfolgend auf ein Beispiel aus Hamburg eingegangen wird. Mit der Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel gibt es einen dem Erinnern an Behelfsheime gewidmeten Ort. Zudem wird, im Rahmen von Ausstellungen in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und im Hamburger Rathaus sowie über Internetseiten an die Behelfsheime und ihren problematischen Produktionsprozess erinnert. Daher wird im Folgenden das Erinnern in Hamburg an den Behelfsheimbau anhand der Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel wiedergegeben und analysiert.
Das KZ Neuengamme
Das KZ Neuengamme wurde 1938 als Außenlager des KZ Sachsenhausen aufgebaut und 1940 eigenständig [1]. Die SS gründete das KZ für die Produktion von Ziegelsteinen, die Häftlinge im eigens dafür errichteten Klinkerwerk herstellen. Im Laufe des Krieges gab es bis zu 85 Außenlager. 80.000 Männer und 13.500 Frauen sowie 5.900 weitere nicht oder anders registrierten Häftlingen waren dort inhaftiert. Im KZ Neuengamme sowie dessen Außenlager starben mindestens 42.900 Menschen während ihrer Inhaftierung oder kurz nach der Lagerbefreiung. Ab November 1943 mussten Häftlinge im Klinkerwerk des KZ auch vorgefertigte Betonbauteile für den Behelfsheimbau industriell produziert. Der hier fabrizierte „Sondertyp 125“ wurde aufgrund der Konstruktion aus Betonplatten auch als „Plattenhaus“ bezeichnet. Allein in den letzten beiden Monaten des Jahres 1943 wurden 17.840 Fertigteile hergestellt [2].
Mit zunehmenden Kriegsschäden in den Städten und steigendem Arbeitskräftebedarf in der Wirtschaft setzte die SS die Häftlinge in Außenlagern ein [3]. Die provisorischen Unterbringungen der Arbeiter*innen lagen direkt neben dem Einsatzort. Die Häftlinge mussten in den Außenlagern des KZ Neuengamme Rüstungen produzieren, Bombenschäden aufräumen und Behelfsheime bauen. Die Arbeitsbedingungen waren unmenschlich, die hygienische und medizinische Versorgung war katastrophal, es gab einen Mangel an Nahrung und Kleidung [4]. SS-Aufseher*innen und das Wachpersonal bestraften die Häftlinge willkürlich und brutal [5]. Kranke, schwache und schwangere Frauen wurden in Vernichtungslager deportiert, geborene Kinder direkt ermordet. 24 der 85 Außenlager waren Frauenlager, in denen 13.600 Frauen Zwangsarbeit verrichteten [6]. Nach aktuellen Kenntnisstand starben 95 Frauen vor Kriegsende[7].
Die im September 1944 eingerichteten Außenlager Hamburg-Sasel, Hamburg-Eidelstedt, Hamburg-Neugraben und Bremen-Obernheide dienten Aufräum- und Bautätigkeiten [8]. In direkter Nachbarschaft der Außenlager errichteten polnische, tschechische und ungarische Jüdinnen ganze Behelfsheimsiedlungen. Bevor die SS die KZ-Häftlinge gezielt für die Errichtung von Behelfsheimen einsetzte, mussten italienische Militärinternierte bereits im ganzen Hamburger Stadtgebiet Behelfsheime in Zwangsarbeit produzieren [9]. Von der Sklavenarbeit profitieren die Firmen Gizzi, Kowahl & Bruns, Malo, Moll, Möller, Prien, Volkenreich, Wayss & Freytag und Wesseloh [10] . Die Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlingen mussten Betonplatten aus Trümmerschutt herstellen sowie die schweren Hoch- und Tiefbauarbeiten erledigen[11]. Hierunter fallen alle Tätigkeiten von der Gründung bis zum Eindecken der Dächer sowie das Ausschachten von Leitungsgräben [12]. Die SS erhielt von den Unternehmen einen Lohn für einen Arbeitstag von 2,50 bis 4 RM [13].
Das Außenlager Hamburg-Sasel
In Poppenbüttel sollten KZ-Häftlinge 3.000 Behelfsheime bauen [14]. In der Nähe der Baustelle war das KZ-Außenlager Hamburg-Sasel. In dem Lager arbeiteten ausschließlich Frauen. 500 meist polnische Jüdinnen, die an der Rampe in Auschwitz für den Arbeitseinsatz rekrutiert wurden, errichteten 300 Behelfsheime [15]. Die Häftlinge mussten Betonplatten und -pfeiler montieren, die vorher im Klinkerwerk des KZ-Neuengamme hergestellt wurden [16]. An der Errichtung waren die Unternehmen Wayss & Freytag und Möller beteiligt, Häftlinge stellten für die Firmen Moll und Kowahl & Bruns Steine aus Trümmerschutt her [17]. Waren die Frauen nicht mehr einsatzfähig, wurden sie zur Ermordung nach Auschwitz oder Bergen-Belsen abtransportiert. Insgesamt sind mindestens 35 KZ-Häftlinge in Hamburg-Sasel gestorben [18].
Nach dem Krieg verhandelte die britische Besatzungsmacht 9 Verfahren zu Kriegsverbrechen von Wachpersonal in den Frauenaußenlagern vom KZ Neuengamme [19]. Die Besatzungsmacht klagte bei den Verhandlungen zum Frauenaußenlager Hamburg-Sasel den “ehemalige[n] Lagerführer Leonhard Stark, 10 SS-Aufseherinnen, 12 Zollangehörige [..], sowie [..] [den] Inhaber der Firma Kowahl & Bruns” [20]an. 17 von ihnen erhielten “für Misshandlungen von Häftlingen, in drei Fällen mit Todesfolge” [21]Freiheitsstrafen zwischen 3 Monaten und 15 Jahren.
Entstehungsgeschichte der Gedenkstätten Plattenhaus Poppenbüttel
Bis Ende der 1970er-Jahre gab es in Hamburg nur wenige Gedenkstätten an die Verbrechen des Nationalsozialismus [22]. Dies änderte sich durch das Aufkommen der Geschichtswerkstätten Anfang der 1980er-Jahre. Die 1980/81 stattgefundene Recherche von Gymnasiast*innen (Gymnasium Oberalster) über das Außenlager Sasel startete die Diskussion über eine Gedenkstätte in Poppenbüttel [23]. Im Sommer 1981 forderte der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN) Alstertal/Walddörfer den Ortsausschuss Alsterdorf auf, an das Leid der Häftlinge des KZ-Außenlagers Hamburg-Sasel zu erinnern [24], dem der Ortsausschuss Alstertal mit dem Beschluss (24.09.1981) eine Gedenktafel aufzustellen, nachkam [25]. Im Oktober (26.10.1981) teilte der VVN dem Museum für Hamburgische Geschichte die Idee, einen Gedenkort in Poppenbüttel zu schaffen, mit [26]. Da die weiter als Wohnhäuser genutzten Behelfsheime dem Neubau von 300 Wohnungen weichen sollten, kam die Idee auf, die beiden letzten verbliebenden Plattenhäuser in Poppenbüttel ab- und in Neuengamme wieder aufzubauen. Gegen die Verlegung sprach sich der VVN [27] und die Bürgerinitiative Freizeitzentrum Poppenbüttel Neuengamme aus, da dadurch das lokale Erinnern in die Peripherie verlagert werden würde [28]. Die Bürgerinitiative befürwortete eine Nachnutzung der bestehenden Plattenhäuser als Gedenkstätte einerseits für die KZ-Häftlinge, andererseits aber auch für die ausgebombten Bewohner*innen [29].
Am 25.03.1982 beschloss der Ortsausschuss Alstertal einstimmig ein gut erhaltenes Plattenhaus abzubauen und an der Gedenkstätte KZ Neuengamme aufzustellen sowie ein Plattenhaus als Gedenkstätte in Poppenbüttel zu erhalten [30]. Zum Erhalt am historischen Ort wurde das Doppelbehelfsheim mit der Adresse Pfefferminzkamp 5 und 7 ausgewählt. Die Plattenhaushälfte Nummer 7 blieb bis Ende 1982 bewohnt. Einrichtung und Dekoration befanden sich überwiegend im Originalzustand von 1944. Die Hälfte des Hauses mit der Nummer 5 ist nicht im Originalzustand erhalten [31].
Der VVN setzte eine Seite der Häuser in Poppenbüttel instand und erhielt hierfür im Juni 1983 5.000 DM vom Ortsparlament [32]. Im Oktober 1983 wurde sich darauf geeinigt, dass das Grundstück von der Kulturbehörde gekauft werden soll, das Museum für Hamburgische Geschichte eine Ausstellung dort konzipiert und der VVN die Trägerschaft (vor allem die Betreuung) übernimmt [33]. Nach dem Erwerb durch die Bürgerschaft wurde das Plattenhaus samt Grundstück am 12.06.1984 Teil des Verwaltungsvermögens der Kulturbehörde [34]. Das Museum für Hamburgische Geschichte rief in der Zeitung zu Sachspenden für die authentische Einrichtung des Plattenhauses auf [35]. Das Plattenhaus wurde samt Garten am 11.12.1984 in die Denkmalliste eingetragen und als Dokument der “KZ- und Wohnungspolitik im Dritten Reich” unter Denkmalschutz gestellt [36]. Nach der Eröffnung war die Gedenkstätte Ort für Diskussions- und Bildungsveranstaltungen sowie Demonstrationen [37].
Die Gedenkstätte Poppenbüttel
Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel liegt umgeben von einem Einkaufszentrum und Wohnbebauung in der Nähe der S-Bahnstation Poppenbüttel [38]. Sie besteht aus den zwei übrig gebliebenen Behelfsheimen der Behelfsheimsiedlung, die die Häftlinge des Frauenaußenlagers Hamburg-Sasel errichteten. Anfangs betreuten Ehrenamtliche der “Arbeitsgemeinschaft Gedenkstätte Poppenbüttel” den Ort, mittlerweile übernahm die Stadt Hamburg die Zuständigkeit [39]. Laut Betreuungsvertrag der Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel soll der Erhalt und die museale Gestaltung des Plattenhauses einen Eindruck des Lebens der ursprünglichen Bewohner*innen vermitteln und gleichzeitig die mit der Errichtung verbundenen Geschehnisse darstellen. Andere Möglichkeiten hierzu seien in Hamburg nur noch wenig vorhanden [40].
Die beiden Themen werden in jeweils einem Behelfsheim dargestellt: In dem südlichen Behelfsheim weist eine Ausstellung zum Außenlager Sasel auf die Zusammenhänge zwischen KZ-System und Bombenkrieg hin [41]. Die Ausstellung stellt die Zerstörung des jüdischen Lebens in Hamburg und die Verfolgung von Frauen im Nationalsozialismus dar [42]. Es werden Biografien und Schicksale einzelner Frauen aus den Hamburger Frauenaußenlager des KZ Neuengamme präsentiert.
Das nördliche Behelfsheim schildert die Lebensumstände der Ausgebombten [43]. In dem Behelfsheim richtete das Museum für Hamburgische Geschichte eine originalgetreue Behelfsheim-Wohnung der späten Kriegsjahre ein [44]. Hierzu wurden Einrichtungsgegenstände aus privatem Besitz gestiftet. Neben den beiden Dauerausstellungen wird das Plattenhaus bis heute für Gedenk- und Schulungsveranstaltungen genutzt.
Analyse der Gedenkstätte
Von entscheidender Bedeutung für die Entstehung der Gedenkstätte war das zivilgesellschaftliche Engagement. Dabei gab es, ähnlich wie in den anderen Teilen Deutschlands, wenig Initiativen, an die Verbrechen zu erinnern. Zwar führte die Besatzung Prozesse zu dem Außenlager Hamburg-Sasel, hieraus folgte aber kein öffentlicher Diskurs über die Verbrechen. Ein Gedenken an die lokal-spezifischen NS-Verbrechen fand, wie im Rest der Republik bis Ende der 1970er-Jahre nicht statt. Das in den 1960er-Jahren sich verbreitende kritische Denken und die daraus folgende Übernahme des Nationalsozialismus in die Lehrpläne eröffnete dem Lehrer des Gymnasiums Oberalster die Möglichkeit, zusammen mit der Schulklasse die Geschichte des Frauenlagers aufzuarbeiten.
Ähnlich wie an anderen Orten in der Bundesrepublik fand ein Großteil der Aufarbeitung über das Frauenlager in den 1980er-Jahren statt. Das Jahr 1985, das Aleida Assmann als Schwellenwert deutscher Erinnerungskultur sieht, war auch das Jahr, in dem der Hamburger Senat die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel eröffnete.
Eine weitere Parallele zur bundesdeutschen Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen ist, dass die erinnerungspolitischen Initiativen in Poppenbüttel aus einem größtenteils zivilgesellschaftlichen Umfeld entstanden. Wie auf der nationalen Ebene zählten die meisten Aktivist*innen in Poppenbüttel zu einem linken Umfeld. Die Aufarbeitung der Vorkommnisse in Poppenbüttel kann den Geschichtswerkstätten zugeordnet werden. Wie auch andernorts in Deutschland wurde die Aufarbeitung durch externe Vorkommnisse (bspw. geplante Bauprojekte in Poppenbüttel) ausgelöst.
Mit dem Kauf des Grundstücks und der Unterdenkmalstellung der Gebäude des Plattenhauses zeigen sich in der Institutionalisierung und Verstaatlichung der Erinnerungskultur in Poppenbüttel Phänomene, die auch deutschlandweit stattfanden. Die in Deutschland zu beobachtende Zentralisierung der Gedenkstättenarbeit ist auch in Poppenbüttel erkennbar, wo der Senat die Erinnerungsarbeit der KZ-Gedenkstätten Poppenbüttel zuordnete.
Die Gedenkstätte folgt den Grundsätzen der Denkmalästhetik der Geschichtswerkstätten. Die Bewahrung des Plattenhauses am historischen Entstehungsort bindet es in den Kontext des KZ-Außenlagers Sasel und des dortigen Arbeitseinsatzes ein. Zum einen ist der Ort nach dem Abriss der Behelfsheimsiedlung und der Errichtung mehrerer großer Bauprojekte mehr denn je Teil des Alltags in Poppenbüttel. Zum anderen ist das Plattenhaus räumlich nicht in eine größere zentrale Gedenkstätte eingebunden. Die Gedenkstätte trägt zu einem dezentralen Gedenken bei. Auch wenn das Behelfsheim zwischen modernen Mehrfamilienhäusern und einem Einkaufszentrum leicht verloren wirkt, so kann doch gerade die dadurch hervorgerufene Irritation eine alltägliche Erinnerung an die Geschichte der Behelfsheime anstoßen. Es wird damit gezeigt, dass die Verbrechen des NS-Regimes tief im Alltagsleben verwurzelt war.
Die Inszenierung der Gedenkstätte ermöglicht eine direkte Auseinandersetzung mit dem Thema Behelfsheime. Authentizität erlangt die Gedenkstätte aus zwei Gründen. Auf der einen Seite spiegelt die Ausstellung zum Einsatz von KZ-Häftlingen beim Behelfsheimbau auch die Forschungsprozesse und -ergebnisse, die der Entstehung der Gedenkstätte vorausgegangen sind, wider. Auf der anderen Seite ermöglicht die originalgetreu gestaltete Hälfte des Hauses eine sinnliche Erlebbarkeit der Lebensumstände in eben diesem, was zu einer vertieften emotionalen Auseinandersetzung mit der Not der Ausgebombten führen kann. Die Erfahrungen der Zwangsarbeiterinnen, die das Haus bauen mussten, sind an diesem Ort schwerer authentisch nachzubilden. Die nicht verputzte Hälfte des Hauses, welche die Betonplatten-Bauweise sichtbar macht, kann hier zumindest bedingt die harte und brachiale Arbeit, welche für die Errichtung notwendig war, aufzeigen.
Die gleichzeitige Darstellung der notdürftigen Lebensverhältnisse und der Biografien von Zwangsarbeiter*innen erreicht eine Kontrastierung beider Themen. Für Besucher*innen ohne Vorkenntnisse über Behelfsheime mag dies irritierend wirken. Die Verknüpfung der scheinbar nicht verbundenen Themen verdeutlicht die komplexen Zusammenhänge, welche den nationalsozialistischen Verbrechen immanent sind. Die Erkenntnis, dass Opfer des Bombenkrieges von Opfern des NS-Regimes profitierten, soll einen aufrüttelnden Effekt haben. Hierdurch werden Fragen zu eben diesen Zusammenhängen aufgeworfen, die zu einer Reflexion der Betrachtung von Behelfsheimen führen kann.
In Bezug auf die Perspektive der Erinnerung zeigt die Gedenkstätte sowohl die Erinnerungen der Täter*innen (historische Möblierung eines Plattenhauses) wie auch der Opfer (Ausstellung zum Außenlager Sasel). Hierdurch werden die Erinnerungen gleichberechtigt dargestellt. Vor allem die Ausstellung zur Zwangsarbeit in Hamburg-Sasel erinnert an die wehrlosen – asymmetrischen Machtverhältnissen unterliegenden – Opfer. Die Gedenkstätte greift die Erinnerungen der traumatisierten Opfer auf und erkennt hierdurch ihre Traumata an. Die Gedenkstätte bringt hierdurch den Opfergruppen kulturelle Wertschätzung und Aufmerksamkeit gegenüber. Die Gedenkstätte legt Zeugnis der Verbrechen ab und tritt hierdurch dem Verdrängen und Vergessen entgegen. Mit der Ausstellung wurde die Schuld der Deutschen an den Verbrechen der Nazi-Zeit in diesem Kontext eingestanden sowie anerkannt und somit die Opfergeschichten zum Teil in das lokale kollektive Gedächtnis übernommen.
Zwischen Gründung der Bundesrepublik und Ende der 1970er-Jahre wurde die eigene Schuld in Bezug auf die NS-Vergangenheit in Poppenbüttel verschwiegen, verdrängt, mit der Schuld anderer aufgerechnet oder mit Verweis auf das Ausführen von Befehlen externalisiert. Die Initiierung der Gedenkstätte war somit eine Antwort auf das Beschweigen vonseiten der Täter und Opfer. So löste einerseits auf der Täterseite die Recherche der Schulklasse die Debatte um das KZ-Außenlager aus. Darauf reagierten die Opfer, indem sie ein offizielles Gedenken an die Nazi-Verbrechen vom Ortsausschuss und der Stadt Hamburg einforderten. Auch ist die Gedenkstätte Antwort auf das Vergessen an die Verbrechen der Deutschen. Die eindeutige Darstellung der NS-Verbrechen entgegnet der Erinnerungsasymmetrie und den hieraus entstehenden divergierenden Gedächtnissen von Opfern und Täter*innen. Die Gedenkstätte tritt mit den zwei Ausstellungen der Erinnerungsasymmetrie entgegen. Inwiefern die Gedenkstätte aus Betroffenheit oder Trauer entstanden ist, kann nicht eingeordnet werden.
Durch die Darstellung mehrerer Perspektiven kann der Blick auf die Behelfsheime diversifiziert werden und den unterschiedlichen Erinnerungsperspektiven Raum gegeben werden. Dabei zeigt die Ausstellung zu den KZ-Häftlingen, wie NS-Verbrechen Teil der vielfältigen Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialist*innen war. Damit wurde ein Erinnern an ein vormals weniger betrachtetes Verbrechen und seine Opfergruppe ermöglicht. Gleichzeitig wird die Perspektive der deutschen Täter*innengesellschaft gezeigt, welche in diesem Fall ebenfalls Opfer ihres eigenen verbrecherischen Krieges geworden waren.
Abbildung 1: Gedenkstätte Poppenbüttel Aufnahme I
Abbildung 2: Gedenkstätte Poppenbüttel Aufnahme II
Quellen
[1](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., 2014, S. 30)
[2] KZ-Gedenkstätte Neuengamme Bauliche Entwicklung des KZ Neuengamme 1938 bis 1945, Lagermodell, http://neuengamme-ausstellungen.info/content/lagermodell/objekt76.html
[3] (KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 31)
[4](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 32)
[5](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 34)
[6](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 31)
[7](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 35)
[8](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 39-42)
[9](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 47)
[10](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 42, 47)
[11](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 48)
[12]Ellger, H. (2010): Weibliche Häftlinge in den Außenlagern des KZ Neuengammes. In: KZ-Gedenkstätte Neuengamme; von Wrochem, Oliver (Hg.): Das KZ Neuengamme und seine Außenlager. Unter Mitarbeit von Jockheck, Lars. Berlin: Metropol Verlag, S. 32)
[13](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 48)
[14](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.1): Ng.6.4.35.1 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Überblick; Schellen, Petra (16.09.2008): Dünn bekleidet Beton schleppen, in taz hamburg)
[15](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.3): Ng.6.4.35.3 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Dokumente, SS Standortarzt Az. 14 h (KL) 3.45/Tr./Mue vom 29.03.1945)
[16](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte, Aufruf Ortsamt Alsterdorf)
[17](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 39; Ng.6.4.35.7, Aufsatz)
[18](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.14): Ng.6.4.35.14 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Tote, Pgb. Nr. 1655/1946)
[19](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 55)
[20](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 55)
[21](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 55)
[22](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 60)
[23](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte, Bürgerinitiative Freizeitzentrum Poppenbüttel, 22.02.1982; KZ Ng. 2014, S. 62)
[24](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.3): Ng.6.4.35.3 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Dokumente, Brief vom VVN Alstertal/Walddörfer 11.08.1981)
[25](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte. Ortsamt Alstertal, 30.09.1981)
[26](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte., VVN Alstertal/Walddörfer, 26.10.1981)
[27](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte., VVN-BdA Alstertal, Erhaltung der Plattenhäuser am Pfefferminzkamp)
[28](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte., Bürgerinitiative Freizeitzentrum Poppenbüttel, 22.02.1982)
[29](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte., Bürgerinitiative Freizeitzentrum Poppenbüttel, 23.03.1982)
[30](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.3): Ng.6.4.35.3 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Dokumente., Interfraktioneller Antrag vom 25.03.1982)
[31](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.9.8.11): Ng.9.8.11. Nachgeschichte Gedenkstätte Poppenbüttel Plattenhaus. September 1982-Dezember 1992,Museum für Hamburgische Geschichte Ergebnisprotokoll, 25.03.1984)
[32](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte.,VVN, antifaschistischer dienst, 5.03.1984)
[33](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.6.4.35.7): Ng.6.4.35.7 Thematische Sammlung KZ Neuengamme Außenlager Hamburg-Sasel [Frauenlager]. Bemühungen um eine Gedenkstätte., Vermerk 04.10.1982, ma-ne, App.: 201)
[34](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.9.8.11): Ng.9.8.11. Nachgeschichte Gedenkstätte Poppenbüttel Plattenhaus. September 1982-Dezember 1992, Kulturbehörde vom 02.10.1984)
[35](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.9.8.11): Ng.9.8.11. Nachgeschichte Gedenkstätte Poppenbüttel Plattenhaus. September 1982-Dezember 1992, Aufruf der Gedenkstätte Neuengamme)
[36]( Ng.9.8.11,Freie Hansestadt Hamburg, Denkmalschutzamt, Niederschrift über die Sitzung des Denkmalrates vom 13.11.1984, 1985; Ng.9.8.11, Denkmalschutzamt, Brief vom 11.12.1984)
[37](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.9.8.11): Ng.9.8.11. Nachgeschichte Gedenkstätte Poppenbüttel Plattenhaus. September 1982-Dezember 1992, VVN, Brief vom 11.05.1985)
[38](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 70)
[39](KZ-Gedenkstätte Neuengamme (KZ Ng.) (2014): Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel - Die Verfolgung von Frauen im nationalsozialistischen Hamburg und die Erinnerung an die Opfer. Hamburg: Druckerei Siepmann GmbH., S. 70)
[40](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.9.8.11): Ng.9.8.11. Nachgeschichte Gedenkstätte Poppenbüttel Plattenhaus. September 1982-Dezember 1992, Freie Hansestadt Hamburg und VVN, Betreuungsvertrag, 1984)
[41](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.9.8.11): Ng.9.8.11. Nachgeschichte Gedenkstätte Poppenbüttel Plattenhaus. September 1982-Dezember 1992, Museum für Hamburgische Geschichte, Brief zur Eröffnung, 1985)
[42](Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen 2021: 96)
[43](Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Ng.9.8.11): Ng.9.8.11. Nachgeschichte Gedenkstätte Poppenbüttel Plattenhaus. September 1982-Dezember 1992, Museum für Hamburgische Geschichte, Brief zur Eröffnung, 1985)
[44](Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen 2021: 96, https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/fileadmin/user_upload/aktuelles/2021/Jahresbericht_2020_Stiftung_Hamburger_Gedenkstaetten.pdf)
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