Von kurzfristiger Massenproduktion und langlebigen Provisorien
Karlshorst - Umfeld und Lage
Die Behelfsheimsiedlung Karlshorst befindet sich im Ost-Berliner Bezirk Lichtenberg, wo sie sich entlang der Köpenicker Allee und der verlängerten Waldowallee erstreckt. Die Siedlung liegt in der Nähe der S-Bahnhöfe Wuhlheide und Karlshorst. Östlich der Siedlung befindet sich eine Erweiterung der heutigen Kleingartenanlage “Florafreunde e.V.”, westlich schließt sich die “KGA An der Trainierbahn” an [1]. Die Behelfsheimsiedlung bettet sich in das von Einfamilienhaus geprägte Karlshorst ein, auch bekannt als das Villenviertel “Dahlem des Ostens”[2].
Die Behelfsheimsiedlung in Karlshorst wurde ab Ende 1943 erbaut und umfasst eine Gesamtfläche von ca. 30 ha. Bis Ende 1945 wurden auf der Fläche 210 Behelfsheime geschaffen [1].
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Standortfaktoren:
Das Areal gehörte ab 1825 dem Graf von Treskow, der es später an das Land Berlin übergab [1]. Die Siedlung wurde um zwei große ca. 300 Jahre alte Eichen herum errichtet [3]. Elektrische Stromversorgung und sanitäre Anlagen gab es bei der Errichtung nicht. Zur Wasserversorgung der Bewohner*innen wurde alle 300 Meter ein Brunnen errichtet. Zwischen 1946 und 1948 wurde die Siedlung an die Stromversorgung angeschlossen [1]. 1951 wurde in der Kiefernallee eine Trafostation errichtet und die Siedlung weiter elektrifiziert [3]. Im Jahr 1949 wurden zwei Schulräume eingerichtet. Diese Behelfsschule blieb bis zum Jahr 1978 erhalten [1]. Die Grundstücke der Behelfsheimsiedlung wurden durch Pachtverträge an die jeweiligen Nutzer*innen verpachtet [2].
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Parzellierung und Karten:
Die Grundstücke der Behelfsheime weisen eine durchschnittliche Größe von ca. 300 - 500 m² auf [3]. Die Siedlung wuchs bis zum August 1944 um 50 Behelfsheime, im November 1944 standen auf der Fläche bereits 150 Behelfsheime. Bis Herbst 1945 kamen 60 weitere Baracken hinzu [1].
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Ästhetik:
Die Behelfsheime sind anhand der Erschließungsstraßen orientiert, die die Siedlung gliedert. Die Entwicklung der Siedlung ist stark geprägt durch den Standort der Rennbahn. In der Behelfsheimsiedlung Karlshorst wurde zudem ein großer Wert auf die Selbstversorgung gelegt. So wurde das Land intensiv kultiviert, Kleintierhaltung wurde etabliert [3].
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Karlshorst - Typologie
Mit der Errichtung der Baracken östlich der Waldowallee wurde die ansässige Siemens AG beauftragt, die Unterkünfte für ihre “schwerstbetroffenen” Mitarbeitenden beschaffen sollte. [5]
Auf der rund 30 ha großen Siedlung entstanden 210 Behelfsheime mit einer Parzellengröße von 300 bis 500 m²[1]. Mit diesen Maßen entsprechen die Teilflächen dem Reichseinheitstypen, der mindestens 200 m² große Grundstücke für die Selbstversorgung vorsieht. Die errichteten Behelfsheime wiesen Grundflächen zwischen 24 und 26 m² auf [1]. Die Behelfsheime bestehen aus schnell zu montierenden Fertigteilen und weisen weder Fundament noch Keller auf. Sie sind ausgestattet mit Petroleumlampen und Kochmaschinen [1]. Die Maße der Behelfsheime der Behelfsheimsiedlung Karlshorst waren also von Beginn an etwas größer als die in den Behelfsheimfibeln und im Rahmen des Reichseinheitstyps festgelegten Grundmaße, die eine Grundfläche von 20 bis 22,5 m² vorsahen.
Die Typologie in der Siedlung unterscheidet sich in verschiedenen Bereichen durch die verschiedenen Dachformen. Oft wurde in den Siedlungen dieselbe Dachform für in einer Reihe liegegenden Häuser benutzt. Dabei unterscheiden sich die Dachformen zumeist in Sattel- und Pultdach.
Insgesamt sind die Grundrisse und Gestaltungsprinzipien (zum Beispiel die obligatorischen zwei Fenster an der Frontseite des Gebäudes) gut mit denen in den Behelfsheimfibeln dargestellten Idealtypen vergleichbar. Die gleichmäßige Ausrichtung und Anordnung der Heime innerhalb der Siedlung lassen erkennen, dass es direkte Vorgaben beim Bau gab, welche befolgt wurden bzw. das es sich um ein organisiertes, zentral gesteuertes und umgesetztes Bauvorhaben gehandelt hat.
Zu den beim Bau der Behelfsheime in Karlshorst verwendeten Materialien gibt es keine eindeutigen Informationen oder Dokumentationen. Bei der Befragung von Anwohnenden variierten die Aussagen stark - es wurde zum einen von “guten norwegischem Holz” aber auch von wenig hochwertigen Materialien gesprochen. Aufgrund der geordneten und gleichmäßigen Bauweise der Heime ist aber davon auszugehen, dass das Baumaterial einheitlich zur Verfügung gestellt wurde. Dies kann auch durch die Aussage einer Anwohnerin gefestigt werden, die von vorgefertigten, kleinen Platten für den Bau sprach. Das genaue Material bleibt allerdings unklar. Es ist wahrscheinlich, dass Holz, Zement aber auch Zeitungspapier als Baumasse Anwendung fanden und sich auf die Grundaussagen und -angaben der Fibel (Grundfibel) bezogen wurde.
Von wem genau die Heime errichtet wurden bleibt jedoch offen - aufgrund der Gleichmäßigkeit und Struktur kann jedoch eine Errichtung durch Privatpersonen in Eigenbauweise als sehr unwahrscheinlich bezeichnet werden.
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Quellen
[1] vgl. S. 39: Kulturring in Berlin e.V. (2005): 110 Jahre Karlshorst. Verlag: MediaService GmbH BärenDruck und Werbung, Berlin.
[2] vgl. Berliner Zeitung (Hg.) (2016): Parkstadt Karlshorst in Berlin: 1000 neue Wohnungen sollen im Dahlem des Ostens entstehen. Erschienen in: Berliner Zeitung, 30.06.16. [online]<https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/parkstadt-karlshorst-in-berlin-1000-neue-wohnungen-sollen-im-dahlem-des-ostens-entstehen-li.7135?pid=true> zuletzt aufgerufen am 13.04.2022.
[3] vgl. Kleingartenverein Florafreunde e.V. (2015): Die Vereinschronik des Kleingartenverein Florafreunde e. V. [online] https://www.kgv-florafreunde.de/vereinschronik zuletzt aufgerufen am 30.03.2022.
[4] Archiv Bezirksverband Berlin-Lichtenberg der Gartenfreunde e.V. (o.J.): Lageplan der Behelfsheimsiedlung.
[5] vgl. S. 55: Bezirksamt Lichtenberg von Berlin (1995): Auf den Spuren der Vergangenheit - Lebenserinnerungen Karlshorster Bürger. 1. Auflage Mai 1995, Druckhaus Schöneweide, Berlin.
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