Von kurzfristiger Massenproduktion und langlebigen Provisorien
Meilensteine seit 1944
Seit ihrem Bau 1944 entwickelte sich die Behelfsheimsiedlung Hermsdorf mehr und mehr zu einer dauerhaften Heimat für ihre Bewohner*innen. 1946 erfolgte der Anschluss an die Kanalisation. 1954 wurde ein Hauptpachtvertrag zu günstigen Konditionen abgeschlossen. Die Behelfsheime konnten damit bis zu einer Größe von 58 m² ausgebaut werden, wovon auch viele Bewohner*innen Gebrauch machten. Der Vertrag konnte 1979 durch einen Nachvertrag verlängert werden, der bis 1994 galt. Ständige Indexsteigerungen stellten für die Bewohner*innen über die Jahre allerdings eine finanzielle Belastung dar. 1960 wurde die Behelfsheimsiedlung in Kleinhaussiedlung Berlin-Hermsdorf e.V. umbenannt. Mit der Zeit wurde der Ausbau der Infrastruktur vorangetrieben. So wurde 1984 die Stromversorgung erneuert. 1994 erfolgte die Erneuerung der Frischwasserzufuhr sowie die Verlegung von Erdgasleitungen. [1]
Sicherung des dauerhaften Erhalts der Siedlung
Mit Ablauf der Pachtverhältnisse 1994 war ursprünglich die Räumung der Parzellen vorgesehen. Verschiedene Pläne des Senats und des Bezirksamtes sowie Bemühungen der Bewohner*innen führten jedoch zum dauerhaften Erhalt der Siedlung. So erhielten die Bewohner*innen zum 50jährigen Bestehen der Siedlung die Möglichkeit, Erbbaupachtverträge mit einer Dauer von 75 Jahren abzuschließen [2]. Ab 1999 konnten sie sich auch für den Kauf ihrer Grundstücke entscheiden [1]. Heute liegt nur noch für 6 der 56 Grundstücke ein Erbbaurechtsvertrag vor, der Rest befindet sich in Privatbesitz [3].
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Ab 1991 wurde ein Bebauungsplan vorbereitet, der 1998 in Kraft trat. Darin wurde die Siedlung als reines Wohngebiet mit familiengerechten Bebauungsmöglichkeiten ausgewiesen. Ziel war es, die Kleinhaussiedlung als gewachsene Wohnsiedlung zu erhalten und planungsrechtlich zu sichern. Somit sollten die Wünsche der Bewohner*innen nach dem Fortbestand der Siedlung berücksichtigt werden. [4]
Bauliche Veränderungen und Vorgaben
des Bebauungsplans
Eine Mehrzahl der Kleinhäuser, die ursprünglich über eine Grundfläche von 6 m x 4,5 m verfügten, wurde durch einen 4 m x 1,7 m großen Anbau mit einem abgeschleppten Dach ergänzt. Von diesem „Urtyp“ aus wurden viele Häuser ab 1954 zu einem ca. 58 m² großen „Normaltyp“ erweitert. Seit Beginn der 80er Jahre wurden einige Gebäude grundlegend erneuert und erhielten ein ausbaufähiges Dach mit einer Neigung von 45 Grad. [4]
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Nachdem 1994 der dauerhafte Erhalt der Siedlungen feststand, wurde noch intensiver gebaut. Durch den Ausbau der Dachgeschosse konnte die Nutzfläche vieler Häuser auf 90 m² vergrößert werden. Damit wollte man, gemäß dem Bebauungsplan, vor allem den Bedürfnissen von jungen Familien mit Kindern gerecht werden. [4] Stand 2022 waren 34 der 56 Häuser mit einem zusätzlichen Geschoss aufgestockt worden.
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Da durch den Ausbau der Behelfsheime teilweise zu geringe Abstandsflächen zwischen den einzelnen Häusern vorlagen, gab der Bebauungsplan vor, dass Gebäude, deren Abstand weniger als 3 m betrug, durch Anbauten zu einem Doppelhaus zusammengefasst werden mussten. Es wurde zudem festgelegt, dass es bei zwei zusammengehörenden Doppelhaushälften Übereinstimmungen bezüglich First- und Traufhöhen, Material und Farbgestaltung von Fassaden sowie Dacheindeckungen, Fenstern und Türen geben muss. [4]
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Insgesamt wurden einige Festsetzungen zur Gestaltung der Gebäude, wie Dachtypen, Traufhöhen, Firsthöhen und -ausrichtungen sowie der Dachneigung getroffen, um ein einheitliches Siedlungsbild zu erhalten. Der Ausbau der Gebäude beschränkte sich im Wesentlichen auf die Errichtung einheitlicher Satteldächer, die Aufstockungen um ein zusätzliches Geschoss sowie die Anbauten mit abgeschleppten Dächern und die teilweise Zusammenfassung zu Doppelhaushälften. Der gleichartige Charakter der Siedlung ist dadurch auch heute noch erkennbar.
Abbildung 1: Anbau mit Dachschleppe (2022)
Abbildung 2: Anbau mit Dachschleppe (2022)
Abbildung 3: Einheitliche Gebäudehöhen (2022)
Abbildung 4: Durch Anbauten zusammengefasste Doppelhaushälfte (2022)
Weitere Entwicklung bis heute
Auf einer ehemaligen Gemeinschaftsfläche der Siedlung sollte, gemäß dem 1998 beschlossenen Bebauungsplan, eine Kindertagesstätte entstehen. Dies wurde 2007 jedoch geändert, so dass dort ebenfalls ein Wohngebäude gebaut wurde, das sich jedoch in Größe und Gestaltung stark von den restlichen Häusern unterscheidet. Im selben Jahr wurde ein zuvor ungenutztes Grundstück an der Bertastraße dem Verein zur gemeinschaftlichen Nutzung übertragen. [1]
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Die Geschichte der Kleinhaussiedlung Hermsdorf spiegelt das Engagement seiner Bewohner*innen wider, auch in Form von viel Arbeit in Eigenleistung sowie Verhandlungen mit dem Bezirksamt, die schließlich zum dauerhaften Bestand der Siedlung beitrugen. Über die Jahre wandelte sich so der ehemalige Behelfsheimcharakter der Siedlung zu einer festen Nachbarschaft mit viel Austausch und gemeinsamen Veranstaltungen.
Abbildung 5: Wohngebäude auf ehemaligem Festplatz (2022)
Abbildung 6: Perspektive aus dem Inneren der Siedlung (2022)
Abbildung 7: Lageplan Kleinhaussiedlung Hermsdorf (2022)
Abbildungen
Abbildung 1-6: Eigene Aufnahmen (2022).
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Abbildung 7: Geoportal Berlin (2022): Planunterlage, [online] https://fbinter.stadt-berlin.de/fb/index.jsp?loginkey=zoomStart&mapId=alk_berlin@senstadt&bbox=386132,5831772,386580,5832017 zuletzt aufgerufen am 30.03.2022.
Quellen
[1] Kleinhaussiedlung Berlin-Hermsdorf e.V. (2014): Chronik der Kleinhaussiedlung Berlin-Hermsdorf e.V. 1944-2014, S. 2-7, Berlin.
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[2] Grüttner, U. (1994): Verträge als Geschenk zum Jubiläum. Kleinhaussiedlung Hermsdorf gesichert / 50jähriges Bestehen wird am Sonnabend gefeiert.
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[3] Schindler, C. (2019): Vom Behelfsheim zum schmucken Haus, [online] https://www.berliner-woche.de/hermsdorf/c-bauen/vom-behelfsheim-zum-schmucken-haus_a223951 zuletzt aufgerufen am 12.02.2022.
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[4] Bezirksamt Reinickendorf von Berlin (2016): Begründung zum Entwurf des Bebauungsplanes XX-247 vom 12. August 1996.
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